Echte Liebe übersteht auch eine Affäre
Es fing alles so harmlos an. Wenn ich als Kind gefragt wurde, was ich mir dabei gedacht habe, als ich die sogenannten “Dummheiten” anstellte, lautete meine Antwort darauf immer: Nichts. Und damit nahm die Moralpredigt auch schon ihren Lauf. “Ja, genau. Du hast nicht nachgedacht, Kind. Sonst hättest du diesen Unsinn nicht angestellt.” Diese mahnenden Worte meiner Mutter habe ich auch heute noch im Ohr und wundere mich darüber, mit welcher Ausdauer sie damals gemaßregelt hat. Immer und immer wieder. Bis ich erwachsen wurde und keine Dummheiten mehr anstellte. Naja, bis auf diese eine.
Beziehungsfalle: Flirtapp
Ich will ja nicht behaupten, dass mein Smartphone daran Schuld ist, aber diese Flirtapps lassen sich auch wirklich einfach und schnell herunterladen. Zudem sind sie auch noch kostenlos. Der Download erforderte nur einen Klick und schon hatte ich den Zugang in eine virtuelle Singlewelt auf dem Handy, welche mit einem kurzen Flirt schnell zur Realität wird. Ich wollte mich nur mal umsehen und muss auch gestehen, dass ich die App nicht gleich auf Anhieb verstanden habe. Ich brauchte eine Weile, um mich mit den einzelnen Funktionen der App auseinanderzusetzen. Ich stamme halt noch aus einer Generation, die ohne Smartphone aufgewachsen ist. Und das ist auch der Grund dafür, weshalb ich mich in Bezug auf das Smartphone immer ein bisschen unbeholfen anstelle. Inspiriert durch den Focus Artikel und einen weiteren Test bei Dating-Insider, wollte ich unbedingt herausfinden, was es mit dem Radar auf sich hat. Die App versprach mir gut aussehende Singles aus meiner Umgebung. Ich meine woher will die App wissen, wo ich wohne und wen oder was ich attraktiv finde? Immer wieder wurde ich aufgefordert, meine Ortungsdienste zu aktivieren. Nachdem ich endlich die Einstellung dafür gefunden hatte, konnte ich auf einem Radarsymbol die einzelnen Profile anklicken, um zu sehen wer sich dahinter verbirgt.
Wie konnte ich nur?
Ich stolperte über das dritte Profil und muss zugeben, dass ich “Jamal” auf den ersten Blick attraktiv fand und dass ich mich schon ein bisschen verguckt hatte. Nachdem ich alle Profile auf der Radarscheibe durchgeklickt hatte, wollte ich mich eigentlich abmelden und schlafen gehen. Doch auf der Suche nach dem entsprechenden Logout-Button stach mir die blinkende Zahl 31 ins Auge, welche zusätzlich rot leuchtete. Dieses Signal wollte offensichtlich auf etwas Wichtiges hinweisen?! Es war die Anzahl der Nachrichten, welche sich in meiner Mailbox befanden. Und schon war das Thema Schlafengehen ganz weit weg. Mich überkam eine ungeahnte Neugierde und ich musste diese Nachrichten unbedingt lesen. Mein Mann schlief schon, weshalb ich die optimale Gelegenheit dazu hatte. In einer Liste wurden die Nicknames der Absender chronologisch nach ihrem Empfangszeitpunkt aufgelistet. Mein Blick fiel sofort auf das Profil von Jamal und die anderen 30 Nachrichten interessierten mich plötzlich nicht mehr. Ich war extrem gespannt und wollte unbedingt wissen, was er mir geschrieben hatte. Fand er mich etwa auch attraktiv? Kann das Zufall sein? Tausend Gedanken kreisten durch meinen Kopf und ich fühlte mich plötzlich als etwas ganz Besonderes. Wie “Neos Auserwählte Trinity”. Okay, raus dem Matrix-Film und zurück in die Realität. Heute weiß ich, dass NICHTS, absolut gar nichts auf solchen Portalen zufällig passiert.
Mit Zufall hat das nichts zu tun
Wie sich später herausstellte, schrieb Jamal der in Wirklichkeit Hamoudy heißt, mich nur deshalb an, weil ich auf seinem Profil war. Profilbesucher werden in diesen Apps nämlich angezeigt und ebenso übersichtlich in einer Liste dargestellt. Ich war eine Besucherin. Eine von Vielen. Eine Nummer in seiner Besucherliste. Und wie sich ebenfalls später herausstellte, kontaktierte er wirklich jede Besucherin, welche sich auf sein Profil verirrt hatte, um sie zu einem Date oder einer Affäre zu überreden. Und vermutlich waren viele von ihnen ebenso dumm, wie ich und haben sich darauf eingelassen. Und wofür? Um sich danach zu schämen und benutzt zu fühlen. Und um festzustellen, dass es ein Fehler war, dass es dumm war und dass man vergessen hat, was wirklich zählt: Die Liebe zu Hause und nicht der Flirt von irgendwoher.
Danke für die wahre Liebe
Es war wirklich nicht schwer zu erkennen, was ich für eine Dummheit angestellt habe. Und bestraft wurde ich auch zur Genüge: Mit einem schlechten Gewissen, mit dem Gefühl von Charme und mit der Angst meinen Mann zu verlieren, wenn ich es ihm erzähle. Aber ich musste es ihm einfach erzählen. Schließlich hatte ich Mist gebaut und sollte nun so viel Courage besitzen, um wenigstens zu beichten und ehrlich zu sein. Diese Courage hatte ich und bin heute mehr denn je froh darüber, dass mir mein Mann verziehen hat und wir eine glücklichere Ehe führen, als all die Jahre zuvor. Ich kann diesem Fehler also durchaus auch etwas Positives abgewinnen: Mein Fehltritt hat uns wirklich zusammengeschweißt.
Read More »